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Interviews

Ursula von Minckwitz – Anwältin und Dirndl-Designerin geht das?

von Jen
Anwältin und Dirndl-Designerin Ursula von Minckwitz mit ihren Dirndln.

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Anwältin und Dirndl-Designerin Ursula von Minckwitz im Interview

Die Welt ist nicht genug. Was für ein anspornender Satz. Ich liebe Interviewpartner, die Power und Mut haben, ihre Träume und Wünsche zu verwirklichen. Auch wenn dies bedeutet 80 Stunden die Woche für seine Träume zu arbeiten. Und wenn man genau das macht, was einen erfüllt, vergehen die Stunden auch wie im Fluge. Ich kenne dieses Gefühl nur allzu gut. Anwältin und Dirndl-Designerin Ursula von Minckwitz zählt genau zu diesen Frauen, die nicht nur träumen sondern ihre Träume verwirklichen. Sie hat eine Anwaltskanzlei mit mehreren Standorten und führt ein kleines Fashionlabel, in dem sie ganz besondere Dirndl und Kombinationen designt und selbst vertreibt. Wer genau Ursula ist und wie sie es schafft sich zu motivieren, erfahrt ihr jetzt. 


Overview: Was war dein bisheriger beruflicher Weg?

Ursula von Minckwitz: Ich habe ganz klassisch Jura studiert. Mit 30 Jahren habe ich mich selbstständig gemacht und mit einem Partner zusammen einen weiteren Standort in Frankfurt a. M. für eine bereits seit kurzem bestehende auf Immobilien-, Bau- und Architektenrecht spezialisierte Kanzlei in Berlin eröffnet und den Grundstein für eine überörtliche Sozietät mit zwischenzeitlich 5 Standorten gegründet. Die weiteren Standorte Leipzig, Dresden und München kamen bald hinzu und wurden von Ursula initiiert und aufgebaut. Der Aufenthalt für mehrere Jahre in Berlin, Leipzig und am Ende München verschaffte mir – insbesondere wegen der intensiven Zeit der Nachwendejahre spezielle Einblicke in die Entwicklung der besonderen Städte Berlin und Leipzig, aber auch Dresden. In München wurde es dann ruhiger, was auch mein Ziel nach den vielen Jahren der Aufbauarbeit war. Konsolidieren war die Devise. 

Overview: Wolltest du schon immer Jura studieren?

Eigentlich wollte ich Physik studieren, doch das habe ich mir irgendwie nicht zugetraut. Ich komme aus Darmstadt, dort ist die technische Hochschule, mein ganzes Umfeld hat also Architektur, Wirschaftsingenieurwesen oder Maschinenbau studiert. Aus fast nicht nachvollziehbaren Gründen – aus heutiger Sicht – habe ich mich dann für das neutrale und zukunftsoffene Jus-Studium entschieden u. a. auch, weil ich politisch sehr interessiert war und mir auch eine Karriere im diplomatischen Dienst vorstellen konnte.. Ich war schon immer ein  sehr kommunikativer Mensch und bin gerne im Austausch mit Menschen, somit  konnte ich es mir einfach nicht vorstellen in ein Labor eingesperrt zu sein. 

Als ich die Schule abgeschlossen hatte, hat uns niemand groß beraten oder erklärt, dass es neben den Standardberufen auch differenzierte Angebote gibt, und außerdem waren die Angebote sehr gering. Wir sind die Generation der Babyboomer, die nicht mit Samthandschuhen angefasst wurde. Mit Jura kann man im Prinzip alles machen und hat Kontakt zu Menschen, was mir wichtig war. Insofern war es damals doch die richtige Entscheidung. Schon während meiner Schulzeit hatte ich ein sehr ausgeprägtes Modebewusstsein.

Ich habe beispielsweise schon früh gestrickt und meine Pullover an einen kleinen Laden verkauft, es waren um die 100 Stück. Auch Upcycling war ein Thema für mich in der Schulzeit. Ich suchte schöne Second-Hand-Kleidung und veredelte/verschönerte diese, in dem ich diese mit neuen Knöpfen oder anderen Dingen versah. Anschließend verkaufte ich die Klamotten auf dem Flohmarkt. Neben dem Upcycling nähte ich selbst und irgendwann war es so viel, dass ich es nicht nur an Freude und auf Flohmärkten verkaufte, sondern bei meinen Mengen auch in Läden verkaufte. Ich selbst sehe mich als eine spezielle Mischung aus Kreativität, Produktivität und Wissenschaft. Spontanität und Ideenreichtum führen zu einer positiven und ständigen Unruhe, die ich allein mit meinem Beruf nicht ausfüllen konnte.

Overview: Wann hattest du das erste Mal das Bedürfnis neben deiner Anwaltstätigkeit auch professionell etwas anderes zu machen?

Ursula von Minckwitz: Ich habe im Jahr 2000 mit meinem damaligen Lebenspartner und meinem Büropartner  eine Bar gegründet. Mein damaliger langjähriger Freund war Architekt und ich hatte schon immer eine Leidenschaft: Einrichtung – so haben wir es gewagt die „Leipzigbar“ in Leipzig zu gründen, mit der von uns designten Einrichtung und der komplett darauf abgestimmten Corporate Identity. Wir hatten Kinsky-CDs auf der Toilette laufen und den Aperolsprizz auf Basis des aus Darmstadt importierten Camparisprizz erfunden, da die Mischung nach unserem Barkeeper zu den orangefarbenen Sesseln der Bar passte und Frauen aufgrund der geringeren Bitterkeit besser schmeckte. Die Bar war mein erstes Projekt. Allerdings mussten wir sie nach 3,5 Jahren schweren Herzens wieder verkaufen, weil es nebenher einfach zu viel Arbeit war. Damals war ich noch relativ viel unterwegs für mein Hauptbusiness.

Die baubegleitende Beratung von Großprojekten deutschlandweit bindet nicht nur viel Zeit und erfordert Reisetätigkeit, sondern bindet auch die persönlichen Kapazitäten in besonderen Maße. Ich war zeitweise 4 Tage die Woche unterwegs und musste am Wochenende dann noch die im Büro liegengebliebenen Aufgaben nebst der Organisation der Büros erledigen. Zudem habe ich noch sehr viele Vorträge gehalten und 2 Bücher mitgeschrieben. Das war zeitweise mehr als zu viel. 

Overview: Wie kam dann die präsente Idee eigene Dirndl zu designen?

Ursula von Minckwitz: Nach ein paar Jahren dachte ich mir, jetzt bin ich reif für ein neues Unternehmen. Ich wollte unbedingt etwas mit Stoffen und Farben machen. Allerdings war es mir wichtig, keinen Kredit aufzunehmen und etwas aus meinem Cashflow heraus zu finanzieren. Die Idee entstand aus meinem persönlichen Umfeld. Viele meiner Bekannten waren es leid, die immer gleichen konventionellen Dirndl tragen zu müssen, sie waren ihnen zu spießig oder weit weg von ihrer eigenen Lebensrealität. Sie fühlten sich darin „verkleidet“. So entstand Dirndl pretty different, meine erste eigene Kollektion mit modernen hochwertigen Dirndln, für alle Frauen, die unkonventionelle und besondere Highfashion suchen, die näher an der sonstigen Lebenswirklichkeit der Trägerinnen waren.

Ich muss ehrlich zugeben, dass das ursprünglich eigentlich eine klassische/typische Schnapsidee im wahrsten Sinne des Wortes war, als wir auf einem Fest an einem Seen in der Nähe von München waren. Ich bin schon immer gerne in Italien  und wusste, dass Max Mara dort Stoffe verkauft. Also bin ich hingefahren, habe mir die schönsten Stoffe ausgesucht und einfach mal fünf Musterdirndl nähen lassen, für meine Freundinnen. Die Mädels sind damit aufs Oktoberfest gegangen und wurden öfters angesprochen. Okay, es gibt also Bedarf dachte ich mir. Ich hätte vielleicht auch erst einmal 50 Stück machen können, aber ich mache nicht so gerne halbe Sachen und nun sind es gleich entschieden mehr geworden und ich habe gleich ein Business daraus gemacht.

© Ursula von Minckwitz

Overview: Hast du dir mit deiner Modefirma einen eigenen Traum erfüllt?

Ursula von Minckwitz: Ja, absolut. Bei der Designbar war es so, dass ich ursprünglich nur die Innenarchitektur machen wollte. Ich habe dann aber das komplette Design entwickelt – vom Geschirr bis hin zum Logo, so bin ich einfach. Entweder ganz oder gar nicht. Schon damals hatte ich die Idee mit der Mode im Kopf, allerdings war ich damals noch nicht so weit, der Cashflow hat einfach gefehlt. In der Mode muss man erstmal viel Geld in die Produktionskosten stecken.

Später gab es diesen einen Moment, als ich wusste, jetzt bist du so weit. Als Anwältin hatte ich mir einen Namen gemacht, es gab mir gefühlt mehr Luft neben dem Job neue Ideen umzusetzen, Geld für das neue Projekt hatte ich zur Seite gelegt, die Energie und die Kraft waren da – es war der richtige Moment. Ich wusste, dass ich es genau jetzt machen musste, auch wenn die Branche damals schon in Schwierigkeiten steckte. 

Overview: Haben dich die ganzen Eventualitäten nicht abgeschreckt etwas mit Mode zu machen?

Ursula von Minckwitz: Wenn man Unternehmerin ist und vorher alle Eventualitäten kennen würde, würde man es wahrscheinlich nie machen. Man muss immer ein bisschen naiv bleiben, um loszulaufen und es hinzubekommen. Da ich schon zwei Unternehmen gegründet hatte, wusste ich, wann ich die Reißleine bei den Zahlen ziehen müsste, das war sicherlich ein Vorteil. Ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem ich meine Emotionen nicht über die Zahlen lege, auch das hilft. Meine Freundinnen aus der Modebranche gaben weiteren, wichtigen Input. Am Ende muss man es aber alles selbst entscheiden und die Risiken kennen und eingehen.

Overview: Wie viel Zeit kostet dich dein Hauptberuf als Juristin?

Ursula von Minckwitz: Etwa 60 Stunden aufwärts. Ich stoße natürlich manchmal an meine Grenzen, aber gleichzeitig liebe ich es. Natürlich nutze ich die Infrastruktur von meinen Büros und habe mehrere Sekretärinnen. Momentan herrscht Hochkonjunktur im Bau und es gibt wahnsinnig viel zu tun. 

Overview: Was möchtest du mit deinem Slogan „Dirndl Pretty Different“ sagen?

Ursula von Minckwitz: Ich möchte mit meinen Kollektionen raus aus den alten Konventionen, alles neu denken, die Tradition in die Moderne transformieren. Sei mutig, sei anders, das ist meine Botschaft. Ich möchte Frauen dazu anregen/dabei unterstützen, raus aus den engen Grenzen zu treten. Und ich liebe Fashion, besonders Haute Couture und Highfashion, daher arbeite auch nur mit hochwertigen Materialien wie Seide etc. 

Overview: Worin unterscheiden sich deine Dirndl im Wesentlichen?

Ursula von Minckwitz: Die Stoffe sind wesentlich teurer und die Schnitte anders. Ich habe schon/bereits beim Einkauf einen guten Überblick, was die anderen Brands verwenden und kreiere meine eigenen Dirndl immer ganz anders. Eine Besonderheit meiner Dirndln ist die Farbigkeit, besonders Colour-Blocking. Der Mut zur Farbe ist in dieser Branche, und besonders wegen der Traditionalität der Dirndln, nicht selbstverständlich. Frauen, die meine Dirndln im Showroom anprobieren wollen diese meist nicht mehr ausziehen, gehen damit raus und bekommen meist direkt viele Komplimente von Männern. Wie wir beide wissen, ist es ja häufig so, dass das, was den Frauen gefällt, den Männern oft nicht so gut gefällt. Auch hier breche ich die Traditionen. Aber es gibt natürlich auch Ablehnungen von denen, die die Traditionalität vorziehen und bewahren wollen. Das respektiere ich. Aber man hat ja auch nicht nur ein Sakko im Schrank, zumindest ich nicht.

© Ursula von Minckwitz

Overview: Wie lässt du dich inspirieren?

Ursula von Minckwitz: Meistens bekomme ich nachts tolle Einfälle. Das kann auf einer Reise sein, oder ich blättere in Magazinen, meistens in italienischen. Ich suche Inspirationen überall, auch auf den Messen und beim Shoppen. Bei meiner ersten Kollektion habe ich direkt um die 15 verschiedene Dirndldesigns entworfen. Ich selbst habe keine Modelmasse, ich bin schon immer eine sehr gute Beobachterin und weiß, was Menschen steht und was nicht. Ich kann meine persönlichen Vorlieben in den Hintergrund stellen und ganz beim Kunden sein, hört sich selbstverständlich an, wird mir jedoch oft auch dankend von Kundinnen und Freundinnen gespiegelt. 

Overview: Das Oktoberfest wurde dieses Jahr wegen Corona abgesagt – wie hat sich das auf dich ausgewirkt?

Ursula von Minckwitz: Da ich immer noch ziemlich klein im Dirndl-Geschäft bin, war ich bisher nicht sehr von der Saison abhängig. Wir sind gerade im Aufbau und dabei uns zu etablieren. Wir leben von Mundpropaganda und Empfehlungen. Allerdings sind unsere Dirndl nicht ganz preiswert, da wir besondere Qualität auch durch die limitierte Auflage so umsetzen, dass es nahe an der Maßanfertigung ist.  Meine Kollektionsteile sind außerdem alle Made in Germany – ich spreche also eine spezielle Käuferschaft an, die sich nicht mehr oder minder vom Oktoberfest beeinflussen lässt. Aber natürlich haben auch wir durch Corona und  den Ausfall des Oktoberfestes Veränderungen im Kaufverhalten wahrgenommen, ich würde lügen, wenn ich es gar nicht merken würde. 

© Ursula von Minckwitz

Overview: Gibt es No-Gos bei Dirndl-Kreationen?

Ursula von Minckwitz: Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt. Jeder entscheidet für sich, was er tragen möchte. Für mich ist Mode immer auch ein Ausdruck des eigenen Selbst. Ich sehe es persönlich nicht gerne, wenn der Rock über dem Knie aufhört und das vor allem für gestandene Frauen. Das fühlt sich für mein Empfinden negativ an, da bin ich sehr klassisch eingestellt. Ich kann auch keine  Rüschen für 1,50 € sehen. Oft gesehen und aus meiner Sicht völlig falsch bei einem Dirndl interpretiert sind Brüste, die das Dekolleté sprengen. Ich bin in einer Männerbranche unterwegs und weiß, wie Männer darüber reden, das ist wenig schmeichelhaft. Die Hälfte der Kommentare ist nichts, was du als Frau hören willst. Ich will, dass eine Frau elegant aussieht und man sich nicht prostituiert. Kleider machen Leute. Auch die traditionellen Dirndl können dich verunstalten, insbesondere altern lassen. Es geht am Ende immer um Stil. 

Overview: Gibt es einen Satz oder ein Zitat, dass dich nachhaltig geprägt hat und ermutigt oder entmutigt hat?

Ursula von Minckwitz: Ich weiß noch genau, wie der Vertreter der Brauerei bei der Planung der Leipzigbar zu mir meinte: „Schuster bleib bei deinen Leisten – Sie machen in einer Woche diesen Laden zu“. Das war Ansporn für mich.

Es gibt nichts, was so falsch ist wie dieser Spruch. Ich bin zutiefst überzeugt, wenn du eine gute Idee hast, den Willen dazu, das richtige Netzwerk und Umfeld, dann solltest du den Schritt immer wagen und dich nicht von vermeintlichen Lebenswahrheiten oder Sprüchen abhalten lassen. Diese gibt es leider wie Sand am Meer. Deswegen gibt es so wenige Unternehmer und Unternehmerinnen in Deutschland, weil die Menschen sich nicht unterstützen und viele Nein-Sager deine Motivation auseinander reißen. Angst zu scheitern hat man selbst schon genug, verblendet darf man natürlich auch nicht sein.

Overview: Musstest du deine Dirndl-Firma bei deinen Juristen-Kollegen auch sehr in Schutz nehmen? 

Ursula von Minckwitz: Ja, das war schon eine besondere Herausforderung. Einige Kunden und Kollegen hatten Angst, dass ich zeitlich nicht mehr entsprechend zur Verfügung stehe. Es kamen oft kleine Seitenhiebe wie „Sie kümmern sich schon um das Projekt, ja?“ Meine Antwort war immer ganz klar: Sie haben doch auch Familie zu Hause und da hinterfrage ich nicht, ob dies ihre Projektarbeit in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Das ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Mein Geschäftspartner in Frankfurt musste mit diesen Übergriffigkeiten/Fragen nicht kämpfen. Von uns Frauen wird immer mehr erwartet. Männer sehen uns heutzutage leider oft noch als untergeordnet und fordern eine ständige Verfügbarkeit. 


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