Der Satire Influencerin Toyah Diebel ist kein Thema zu heikel
Toyah Diebel ist Instagram Influencerin. Früher hatte man noch Angst und ließ sich gegen die Influenza-Viren impfen, und schon heute ist es eine begehrte Berufsbezeichnung von Social Media Persönlichkeiten. Genauso wie die gefährlichen Viren, breitet sich auch dieser “Beruf” schnell aus.
Toyah selbst bezeichnet sich als Influencer im weitesten Sinne. Vielmehr macht sie sich über Instagram und den Beruf als Influencer lustig. Und das mit Erfolg. Toyah nimmt sich selbst nicht zu Ernst und das lieben ihre Follower. Sie liest (peinliche) Sequenzen aus ihren alten Tagebüchern vor und lässt ihre Community so an ihrem jüngeren Ich teilhaben. Persönliche Gedanken aus vergangenen Zeiten, die anderen heute peinlich und unangenehm wären und Erinnerungen aus der Pubertät, sind für Toyah Diebel jedoch 1A Instagram Content. Durch die Inszenierung weiterer Alter Egos, wie Siggi und Marvin, schafft es Toyah unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen und auf die Schippe zu nehmen. Doch Toyah meint es auch durchaus ernst. In mehreren Folgen ihres Podcasts erörtert sie gemeinsam mit dem Cyberkriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger, welche Gefahren das Social Media für Kinder birgt, die Eltern übersehen (wollen).
Im Interview mit Thomas-Gabriel Rüdiger, erfahrt ihr mehr zum Thema Sicherheit im Netz und über den Beruf Cyberkriminologe.
Get an overview with Toyah Diebel
O: Toyah, erzähl doch mal kurz etwas von dir. Wo kommst du her und was hast du vor Instagram gemacht?
Toyah: Ich komme ursprünglich aus Nürnberg und lebe seit gut zehn Jahren in Berlin. Ich habe weder fertig studiert, noch eine Ausbildung absolviert. Zwar habe ich eine Ausbildung für audiovisuelle Medien angefangen, dann aber doch wieder abgebrochen. Das Studium für Kommunikationsdesign hab ich auch nie beendet. Ich bin einfach viel zu faul und sprunghaft, deswegen ist es ganz gut Influencer zu sein.
O: Wie hat sich denn deine Social Media Präsenz entwickelt? Womit hast du begonnen und wie bist du dahin gekommen, wo du heute bist?
Toyah: Ich hatte schon immer eine hohe Affinität zum Internet. Bereits in jungen Jahren war ich bei sämtlichen online Plattformen, wie bspw. myspace, angemeldet. Ich hab meine Emofotos hochgeladen, gechattet oder mich über meine Lieblingsstars ausgetauscht. Dann kam irgendwann Instagram und das hab ich anfangs überhaupt nicht verstanden. Warum sollte man Selfies von sich hochladen? Das ging mir nicht in den Kopf. Seit ungefähr zwei Jahren ist mein Instagram Account (@toyahgurl) nun so wie er heute ist. Ich kann auf meinem Kanal machen, wonach mir ist und nutze Instagram einfach für meinen Quatsch. Ich überspitze viel, mache mich lustig und will dem ganzen Hype einfach auch einen Spiegel vorhalten. Das, was auf Social Media abgeht ist teilweise echt absurd.
O: Worin siehst du das Potential von Instagram? Gibt es etwas, das du konkret als Influencerin bezwecken willst?
Toyah: Instagram ist gerade im Wandel. Keiner hat mehr Lust auf diese gefakte Perfektion. Heute finde ich, ist Instagram der wichtigste Kanal für alle möglichen Themen und ist ein wunderbares Sprachrohr. Ich bin mit meiner Reichweite ein Multiplikator und möchte neue Denkanstöße geben. Ich halte auch kein Blatt vor den Mund und spreche unangenehme Themen an. Man muss Aufmerksamkeit erzeugen und den Druck erhöhen, um etwas verändern zu können. Bei heiklen Themen schaut gerne mal jeder weg, sogar die Politik.
O: Die Darstellung von Kindern auf sozialen Medien ist ein Beispiel dafür. Mit dem Cyberkriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger hast du in deinem Podcast über die Gefahren gesprochen. Warum ist dir das Thema so wichtig?
Toyah: Auch ich bin mit dem Internet groß geworden und mit der Möglichkeit mich online zu präsentieren und auszutauschen. Zwar nicht in dem Umfang, in dem es heute möglich ist, doch auch damals wurden bereits Sexnachrichten und Dick Pics verschickt. Damals hab ich das belächelt, doch heute weiß ich: Ich hatte Glück! Auch ich hab mich damals mit älteren Männern (ü18) aus dem Internet getroffen und hielt mich selbst für erwachsen genug. Aber rückblickend weiß ich heute, dass ich Glück hatte, dass nichts Schlimmes passiert ist. Es ist mir unbegreiflich, wie sich das Internet jeden Tag weiterentwickelt, doch in Sachen Sicherheit im Netz in den letzten 15 Jahren rein gar nichts passiert ist. In der Realität muss immer erst etwas passieren, bis sich etwas ändert. Im Internet passiert so viel tagtäglich, und überhaupt nichts ändert sich. Das ist mir unbegreiflich. Volljährige Menschen machen Minderjährigen nach wie vor unsittliche Avancen und bleiben dabei komplett anonym. Doch für diese (potentiellen) Straftäter stehen viele persönliche Daten von (potentiellen) Opfern bereits öffentlich zur Verfügung. Und wenn man dann mit den Müttern spricht, sagen diese nur “darüber möchte ich gar nicht nachdenken”. So zu denken und das zu sagen ist einfach hochgradig fahrlässig.
O: Worin siehst du denn konkret die Gefahr für Minderjährige im Internet?
Toyah: Ich bin immer wieder erstaunt über die Präsentation der (eigenen) Kinder und all die Informationen, die leichtsinnig veröffentlicht werden. Die sexuelle Inszenierung von Minderjährigen, sowie das Preisgeben sensibler Daten, ist gefundenes Fressen für Pädophile. Alles wird wie auf dem Silbertablett serviert. Die Inszenierung von Kindern im Internet ist einfach unnötig und greift ebenfalls in die Privatsphäre der Kinder ein. Mamas, die Kinderbilder posten oder Kinder, die Rihanna nachmachen und in Netzstrumpfhosen vor der Kamera posieren, weil die Mama das so süß findet, finde ich unverantwortlich. Das regt mich einfach auf und so bin ich auf Thomas gekommen. Ich wollte gerne wissenschaftlich belegen und kommunizieren, was dieser Leichtsinn für Ausmaße annehmen kann.
O: Du hast einen Selbsttest durchgeführt. Du hast dich bei Kik angemeldet und dich als 13 jährige ausgegeben. Was hast du bei diesem Selbstversuch gelernt? Wie real ist die Gefahr für Kinder auf solchen digitalen Plattformen?
Toyah: Die Gefahr besteht generell schon darin, dass Eltern gar nicht wissen, welche Plattformen ihre Kinder nutzen. Somit können sich Eltern auch nicht mit der Plattform vertraut machen und ihre Kinder angemessen aufklären. Ich habe mir Kik heruntergeladen und Thomas hatte mir angeboten, das Experiment mit ihm gemeinsam zu machen. Ich hab das dann aber doch allein gemacht und fühlte mich schnell in mein eigenes 13 jähriges Ich zurückversetzt. Heute, 15 Jahre später, kann ich das alles aber besser einschätzen und merke, wie schlimm diese Konversationen tatsächlich sind. Dick pics und Erpressungen kommen recht schnell. Was ich jedoch am Gruseligsten fand, waren diese netten Dialoge. Immer wieder hab ich betont, dass ich erst 13 sei. Den älteren Chatpartnern aber war das nicht wichtig, denn “das ist doch kein Problem”, denn “wir schreiben ja nur”…Diese Menschen versuchen schnell eine Bindung und ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, um das Opfer dann in eine Art Abhängigkeit zu bringen. Selbst ich, und ich bin eine erwachsene, starke, kluge Frau, habe mich schnell unter Druck gesetzt gefühlt. Die Pubertät ist eine schwierige Phase und dann ist da plötzlich jemand, der sich für dich interessiert. Das hat auch nichts mit Dummheit zu tun. Das kann jedem passieren und genau das ist die Gefahr! Diese digitalen anonymen Dialoge können schnell in die Realität führen, mit dem Ziel sich zu treffen und zu missbrauchen. Es muss Regeln im Internet geben!
O: Wie lautet dein Appell an Eltern, die gerne Fotos ihrer Kinder ins Netz stellen?
Toyah: Lasst es sein! Aus Respekt und zum Schutz eurer Kinder.
Titelbild © Delia Baum
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