„Selbstbildnis gelb-rosa“ von Max Beckmann
Gerade wurde das Gemälde „Selbstbildnis gelb-rosa“ des deutschen Künstlers Max Beckmann in Berlin für satte 20 Millionen Euro versteigert. Damit ist es das teuerste Bild, das hierzulande je unter den Hammer kam. Die sensationelle News des Rekord-Preises verbreitete sich rasant in der europäischen Kunstszene. Wir sprachen mit Sophie Neuendorf, Vice President von artnet, über Trends im deutschen Kunstmarkt.
Overview: Sophie, das war ja eine super spannende Auktion. Kannst du uns etwas über die Rekord-Versteigerung erzählen?
Sophie Neuendorf: Ja klar! Das Bild – ein Selbstporträt von Max Beckmann aus dem Jahr 1943 – wurde im Auktionshaus Grisebach für 20 Millionen Euro versteigert. Das ist eine Sensation! Ein so hoher Preis wurde hierzulande bei einer Versteigerung noch nie erzielt. Bisher war Beckmanns „Die Ägypterin“, die 2018 für 5,5 Millionen Euro verkauft wurde, das teuerstes je in Deutschland versteigertes Bild. Der neue Besitzer von „Selbstbildnis gelb-rosa“ ist übrigens ein Sammler aus dem deutschsprachigen Raum, der per Telefon mitgeboten hat.
O: Konnte man mit dem Rekord vorab rechnen?
Sophie Neuendorf: Ja, einige Besucher waren sogar extra gekommen, um Zeitzeug:innen des Rekords zu werden. Das Auktionshaus Grisebach selbst hatte nämlich vorab bereits mit einem geschätzten Wert von 20 bis 30 Millionen Euro gerechnet.
O: Was macht das versteigerte Bild denn so begehrenswert?
Sophie Neuendorf: Beckmanns Selbstporträts sind ganz grundsätzlich innerhalb seines Gesamtwerks von herausragender Bedeutung und gehören zu seinen berühmtesten Bildern. Dieses besondere Gemälde zeigt Beckmann in nachdenklicher Haltung, er trägt einen mit Pelz gefütterten Hausmantel, die Arme in fürstlicher Pose verschränkt. Es entstand, als er nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland in Amsterdam im Exil lebte. Die Einzigartigkeit des Werks ergibt sich neben seiner Komposition aus der Tatsache, dass es eines von fünf seiner Selbstporträts ist, die sich in Privatbesitz befinden. Solche Bilder stehen nur selten zum Verkauf.
O: Hat der neue Rekord auch grundsätzliche Bedeutung für den deutschen Kunstmarkt?
Sophie Neuendorf: Auf jeden Fall! Die Versteigerung stellt einen Wendepunkt für den deutschen Kunstmarkt dar. Schon in den letzten Jahren gab es viel Entwicklung. So kehrte zum Beispiel das weltberühmte Auktionshaus Sotheby’s 2021 nach Deutschland zurück. In den vergangenen Jahren wurden hierzulande vermehrt Werke in Millionenhöhe verkauft. Immer mehr Auktionshäuser sowie internationale Sammler interessieren sich für Deutschland als EU-Land mit der größten Wirtschaftskraft.
O: Wie steht denn der deutsche Auktionsmarkt im Vergleich zu den europäischen Wettbewerbern da?
Sophie Neuendorf: Der Gesamtumsatz in Deutschland betrug in diesem Jahr 193 Millionen US-Dollar. Der österreichische Markt verzeichnete einen Gesamtumsatz von 94 Millionen Dollar, der Schweizer Markt von 182 Millionen Dollar und der französische Markt von 967 Millionen Dollar. Um zu einem der stärksten europäischen Märkte gehören und zum Beispiel mit Frankreich konkurrieren zu können, wird Deutschland noch einige Jahre Wachstum benötigen, ist aber auf einem guten Weg.
O: Wie steht es denn um die deutschen Künstler:innen?
Sophie Neuendorf: Die haben sich auch in Zeiten weltweiten wirtschaftlichen Abschwungs sehr robust gezeigt und übertreffen oft sogar ihre amerikanischen oder britischen Kollegen in Bezug auf den Verkaufswert. Werke des deutschen Künstlers Gerhard Richter sind in diesem Jahr für insgesamt 223 Millionen US-Dollar versteigert worden. Er führt damit auch die Top 5 der weltweit gefragtesten Künstler an. Platz zwei bis fünf belegen: Georg Baselitz, Sigmar Polke, Franz Marc und Max Ernst.
O: Wie wird sich der deutsche Kunstmarkt in Zukunft verändern?
Sophie Neuendorf: Ich bin überzeugt, dass es durch die historisch starke Sammlerkultur und die tief verwurzelte Liebe und Wertschätzung für Kunst, nicht lange dauern wird, bis der deutsche Markt zu einem Zentrum für internationale Sammler wird. Eine Fülle von Privatsammlungen hierzulande wird reichlich Gelegenheit bieten, einzigartige und ungesehene Meisterwerke zu erwerben. Viele der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt befinden sich immerhin in Deutschland. Nicht wenige dieser Sammlungen werden in absehbarer Zeit an die nächste Generation weitergegeben.
O: Gibt es einen Unterschied zwischen der alten und neuen Sammler:innen-Generation?
Sophie Neuendorf: Die Daten von Artnet zeigen, dass deutsche Sammler:innen in der Vergangenheit impressionistische und moderne Kunst bevorzugt haben, dicht gefolgt von Gemälden der Nachkriegszeit und alten Meistern. Jetzt sind diese Kategorien an mühsame Exportregeln gebunden, welche die deutsche Kultusministerin vor wenigen Jahren eingeführt hat – angeblich zum Schutz des deutschen Kulturerbes. Die viertbeliebteste Sammelkategorie ist die zeitgenössische Kunst, die international viel leichter zu handeln ist. Mit dem Aufstieg der neuen Sammler:innen-Generation der Millennials ist der deutsche Markt bereit für eine Veränderung der Sammelgewohnheiten. Sowohl Artnet-Daten als auch den jüngsten Verkäufen nach zu urteilen, wird der deutsche Markt ein internationaleres Publikum anziehen und ist auf dem besten Weg, mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu konkurrieren.
© 2024 Overview Magazine