„Berlin klang gut“
Mit 18 Jahren, 1000 Pfund und einem One-Way Ticket setzte sich Leigh Sachwitz 1994 in einen Bus von Glasgow Richtung Berlin. Die frisch gebackene Architektur-Absolventin und eine Freundin zog es in die deutsche Hauptstadt, aus Neugier und Lust auf Abenteuer wie sie selbst sagt. Aber auch, weil Berlin damals die pulsierende Metropole der europäischen , Techno-Szene war. Hier tobte sich die Schottin 3 Jahre in der Clubszene aus. Und sammelte erste Erfahrungen: „Mein erster großer Auftrag war für die Party-Reihe Bring back the pleasure, die u.a. von Carhartt gesponsert wurde.“ Es folgten weitere Design-Aufträge, für die Leigh sich mit Projektoren von Flohmärkten ausstattete. „Mit denen bin ich dann Samstag morgens immer angerückt“. Das schwere Equipment durch die Stadt schleppen, vor Ort installieren und die Technik ans Laufen kriegen – eigentlich bis dahin in Berlin eine Männerdomäne, in der die Neu-Berlinerin eine Besonderheit war. Doch für Leigh kein Problem: „Die haben dann auch mal nach Tips gefragt oder umgekehrt beim Aufbau mit angepackt“.
„Ohne Kapital, ohne Business-Plan, ohne an morgen zu denken“
Die junge Schottin lebte von ihren Dia- und Super 8 Film-Installationen, bis sie mit 25 schließlich ihre eigene Firma gründete. „Ohne Kapital, ohne Business-Plan, ohne an morgen zu denken. Ich hatte einfach den Hunger, selbst etwas zu machen und dachte: Jetzt ist es an der Zeit. Warum noch warten?“ Im Kontrast zu den sonst harten, maskulinen Namen während des Internetbooms nannte sie ihre Agentur flora&faunavisions – betont organisch, blumig, weiblich. Aus dem 1-Frau-Konzept und den Anfängen in der Kellerbar am Prenzlauer Berg ist mittlerweile ein internationales Unternehmen mit 13 festen Mitarbeitern und unzähligen Freelancern geworden. Im Interview berichtet sie von aktuellen Projekten, reisewütigen Angestellten und Zukunftsvisionen.
Get an overview w/ Leigh Sachwitz
Wer bist du ?
Ich bin Inhaberin und Creative Director von flora&faunavisions.
Wie alt bist du?
Ich bin 45 Jahre alt.
Was ist die Philosophie von flora&faunavisions?
Unsere goldene Regel ist einfach, dass wir immer höchste Qualität liefern. Das ist unsere Handschrift und zeichnet uns aus. Wir kreieren Räume und spielen gerne mit optischen Täuschungen. Wir kreieren emotionale Momente, die einfach magisch sein sollen. Das heißt, unsere Projekte sollen die Menschen faszinieren, sodass man sich selbst als Profi fragt: Wie haben die das bloß gemacht? Dabei arbeiten wir stets innovativ, überschreiten Grenzen und schaffen noch nie da Gewesenes wie z.B. eine Entertainment Show für Tui Cruises. Dafür haben wir Hologramm-Shows entwickelt, die den Eindruck vermitteln, als würden echte Künstler auf der Bühne performen. Erst mit der Zeit merkt man, dass da gar keine Menschen vor einem stehen.
Wer zählt zu euren Kunden?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir entwickeln diverse Konzepte für Automarken, Festivals, Fashion Brand, Design Produkt, usw. Aktuell arbeiten wir für die neue Liveshow von Paul Kalkbrenner. Er war auch in den 90er Jahren in Berlin unterwegs, deswegen passt das umso besser.
Wie läuft so ein Projekt ab?
Das kommt ganz auf den Kunden an. Manchmal kommt man nach Empfehlung auf uns zu und spricht uns gezielt an, manchmal läuft alles über eine Agentur und manchmal arbeiten wir direkt für die Marke. Dann setzen wir uns zusammen, überlegen unser Konzept und stellen die Teams für die jeweiligen Bereiche zusammen, wie z.B. Tischler oder Techniker. Dann planen wir oft noch mit dem Technik-Team vor Ort, wie die jeweilige Installation gestaltet werden soll. Während des Prozesses experimentieren wir ganz viel und wagen auch Neues, natürlich immer in enger Absprache mit unseren Kunden.
Kannst du einen Trend in der Szene erkennen?
Ich würde sagen, dass die Leute immer mehr Sehnsucht auf Inhalt haben, was ich sehr begrüße. Es geht nicht nur mehr darum, dass etwas schön aussieht oder ein Produkt nur durch Branding beworben wird. Die Leute wollen berührt werden, Geschichten sollen erzählt werden. Mit gebrandeten Marken geben sich Konsumenten nicht mehr zufrieden. Es gibt einen Hunger nach Inhalten. Content ist König.
Was war dein Lieblingsprojekt bis jetzt?
In 2017 haben wir das Olympus Perspective Playground gestaltet. Das war quasi ein Heimspiel, weil das in der tollen Location Kraftwerk bei mir um die Ecke stattfand. Aber das war auch sehr artistisch: ich habe als Teil des Ganzen Künstler zusammengebracht. Und es war freier Eintritt. Das finde ich auch immer gut, wenn viele Menschen an so etwas teilhaben können.
Deine Pläne für 2018?
Wir wollen noch internationaler werden und mehr Aufträge aus dem Ausland einholen. Meine Mitarbeiter reisen so gerne. Die streiten sich schon immer wer die Projekte im Ausland betreuen darf. Schon jetzt werden unsere Arbeiten in Texas, Dubai, Ibiza, Zürich, etc. gezeigt. Aber da geht noch was. Und wir wollen selbst kreierte Installationen auf Festivals, Events und Ausstellungen zeigen. Außerdem bauen wir momentan den Bereich des Creativ Coding aus und haben Lust, diesen neuen Bereich in unsere Installationen zu integrieren.
Wenn du eine Stadt wärst, welche wäre das?
Sydney
Nachtigall oder Early bird?
Ich wäre gerne Nachtigall voll gerne , bin aber mutter und daher early bird
Deine Achillesferse?
Geduld
Deine Persönlichkeit in einem Drink?
Früher Sekt auf Eis, jetzt Gin Tonic
Dein Appell an zukünftige Generationen?
Erstmal rumspinnen. Erst dann passiert Kreativität. Diese Experimentier-Phase war bei mir ganz wichtig. Heute habe ich junge Menschen im Bewerbungsgespräch vor mir – die haben feste Gehaltsvorstellungen und wollen wissen, wie die nächsten 5 Jahre ablaufen. In dem Alter hatte ich kein Geld, habe aber immer an meinen Zielen gearbeitet: Materielles war nicht wichtig. Ich hab alles mitgenommen und hatte Spaß. Und jetzt bin ich hier und habe immer noch Spaß.
Ein Zitat, was dir viel bedeutet:
Nichts passiert ohne Enthusiasmus
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