Das Wochenbett, die Zeit nach der Geburt, findet hierzulande noch immer kaum Beachtung. Wenn doch, dann geht es dabei oft um das Wohlbefinden des Babys. Doch ist eine Schwangerschaft mit der Geburt wirklich abgeschlossen? Was bedeuten Ruhe und Rückzug nach der Geburt und warum braucht es dafür ein Plädoyer?
Big news: Finnlands Parlament wird weiblich
In Finnland ist mit Sanna Marin gerade die fünfte Frau zur Parteichefin gewählt wurden. Fünf von acht im Parlament vertretenen Parteien werden in dem nordeuropäischen Land damit von Frauen repräsentiert. Für die Öffentlichkeit und die Presse ist diese Nachricht Grund genug für große Schlagzeilen. Zugegeben – auch ich habe die Neuigkeit sofort auf meinen Social Media Kanälen geteilt. Eigentlich zeigt uns die ganze Aufregung aber nur, dass wir von gelebter Gleichberechtigung noch weit entfernt sind.
„Like A Woman“ – weil der weibliche Körper grundlegend anders gestrickt ist…
Das offenbart sich natürlich nicht nur auf politischer und alltäglicher Ebene, sondern auch im Gesundheitswesen. Über viele Jahrzehnte wurde der männliche Körper als Norm gesehen. Dass der weibliche Körper von Grund auf anders gestrickt ist, brauche ich an der Stelle nicht zu erwähnen. Diese Erkenntnis findet zusehend wieder Einzug in die westliche Schulmedizin. Auch hierzulande wird das zyklische Wesen der Frau immer ernster genommen – ein Aspekt, der in der Traditionell Chinesischen Medizin und im Ayurveda übrigens seit Langem bekannt ist. Für alle, die neu dazu gestoßen sind und sich jetzt fragen, wo ich damit hin will: Willkommen bei meiner monatlichen Kolumne „Like A Woman“, wo ich immer wieder über Themen rundums Frau-Sein sprechen möchte!
Die Zeit nach der Schwangerschaft
Auch dieses Mal geht es um unser zyklisches Wesen – streng genommen um eine der wichtigsten Etappen im Leben der Frau, die im Gegensatz zur monatlichen Blutung, der Menarche oder der Menopause allerdings nicht von jeder Frau* durchlebt wird: das Mutterwerden. Dieser Zyklusabschnitt wird dank der Schwangerschaft von der Gesellschaft am Offensichtlichsten wahrgenommen und somit auf seine Art zum Gegenstand der Allgemeinheit. Themen wie Schwangerschaft und Geburt sind längst immer wieder Anlass für öffentliche Debatten. Was im Zuge dieser jedoch oft ausgeblendet wird, ist die Zeit nach dem vermeintlich “Sichtbaren“. Denn nach der scheinbar größten Veränderung im Leben einer Frau folgt das vierte Trimester, das Wochenbett.
Meghan Markle, Kate Middleton und wir
Das “schwache“ Geschlecht zeigt sich auch nach der Geburt in der Öffentlichkeit doch am liebsten ganz “stark“. Während Anfang 2019 die ganze Welt gebannt nach England geschaut und dem Neuzugang im britischen Königshaus entgegen gefiebert hat, überschlugen sich die Nachrichten über Meghan Markles Pläne für die Geburt. Von einer Begleitung durch eine Doula, Hypnobirthing, einem Geburtsplan und einer Hausgeburt waren die Rede. So angeregt das von der Presse diskutiert wurde, so wenig war die Herzogin von Sussex damit etwas Besonderes. Die eigene Geburt so gut es geht zu planen, ist längst nicht mehr nur ein Privileg der Königsfamilie, sondern für viele Frauen Gang und Gebe. Oft geht die Planung über den Tag der Geburt allerdings nicht hinaus. Warum auch? Schließlich zeigt sich das vermeintlich “schwache“ Geschlecht nach der Geburt doch am liebsten ganz stark.
Der Körper braucht postpartum Zeit
Herzogin Kate Middleton hat es bereits drei Mal vorgemacht und auch Meghan Markle, die sonst in vielen Belangen versucht, aus diesen Traditionen auszubrechen, hat es am Ende so gehandhabt. Zwar ist sie offener mit dem Thema Wochenbett umgegangen und wollte sich und ihrer Familie erst einmal Ruhe gönnen, um den ersten öffentlichen Auftritt wenige Tage nach der Geburt kam auch sie allerdings nicht herum. Trotz scheinbar perfektem Setting, fand sie mit ihrem Outfit einen Weg zu zeigen: der Körper braucht postpartum Zeit, sich wieder zurückzubilden. Irgendwie künstlich und so gar nicht der Realität entsprechend wirkte die Szene so kurz nach der Geburt natürlich trotzdem. Dabei möchte ich dem Königshaus hier nicht seine Traditionen in Abrede stellen (das ist ein anderes Thema), sondern lediglich aufzeigen, was diese öffentliche Darstellung mit Frauen macht.
Schwangerschaft rückwärts durchleben
Gerade für Frauen, die zum ersten Mal Mama werden, sind solche Bilder verwirrend. Ihnen fällt es vor der Geburt oft schwer zu begreifen, dass eine Schwangerschaft mit der Geburt nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil: der Körper durchläuft dieselben Veränderungen noch einmal. Dieses Mal nur rückläufig und ohne die süße Vorfreude auf den neuen Erdenbürger. Der ist zwar mittlerweile da und verzückt auf allen Ebenen, mit ihm sind aber auch Dinge, wie schlaflose Nächte, der Wochenfluss, pralle Milchbusen, die hormonelle Achterbahnfahrt, Nachwehen, Hämorrhoiden präsent. Natürlich nimmt Frau diese gerne in Kauf, das heißt aber nicht, dass sie nicht trotzdem nerven und anstrengend sein dürfen. Sie gehören dazu, wie die Wehwehchen in der Schwangerschaft. Nur werden sie in unserer Gesellschaft selten thematisiert.
Das Wochenbett ist einfach nicht „cool“
Die wenigsten Kurse zur Vorbereitung auf die Geburt greifen das Thema auf, die meisten Bücher handeln es stiefmütterlich in einem Kapitel ab (was nicht heißt, dass sie es nicht ernst nehmen. Es gibt tolle Kapitel und Bücher zu dem Thema, im Verhältnis dazu, wie viele Bücher es über Schwangerschaft und Geburt gibt, sind es aber dann doch sehr wenige). Das spiegelt sich natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung und der fehlenden Anerkennung, in der Zeit des vierten Trimesters einfach mal schwach sein zu dürfen, wider. Die Zeit nach der Geburt, das besagte “Wochenbett“, ist schlicht und ergreifend – nennen wir das Kind beim Namen – nicht sonderlich “cool“.
Wir brauchen das Wochenbett mehr denn je
Vielleicht liegt der Teufel im Detail und das Problem ist bereits etymologischer Natur? „Wochenbett“, „Wöchnerin“ – den Preis für das Wort des Jahres gewinnt jedenfalls keines von ihnen. Irgendwie klingt das alles altbacken, nach Krankheit, fehlerhaft. Wird das eigentlich noch gebraucht oder kann das weg? Dabei ist genau das Gegenteil der Fall, denn gerade in einer schnelllebigen Zeit wie dieser, brauchen wir das Wochenbett mehr denn je. Das erkennen auch große Unternehmen immer mehr und widmen dem Thema ganze Veranstaltungen – wie das Milchcafé von Medela, das Anfang Dezember zu Wien zu Gast war und mich gleich zwei Mal eingeladen hatte. Gemeinsam mit Ruth Theuermann-Bernhardt von MasterMum habe ich hier über die Zeit nach der Geburt und neue Perspektiven des Mutterwerdens gesprochen.
#ExhaustedBliss
Sängerin Alanis Morisette zeigt, wie die bittersüße Zeit des Wochenbetts in Wirklichkeit ausschaut und betitelt ein Familienfoto mit #exhaustedbliss. Und sie hat Recht, es ist ein ziemlich zweischneidiges Schwert, dieses Wochenbett! Gerade, weil wir heutzutage alles erreichen können, was immer wir wollen, müssen wir wieder lernen, zur Ruhe und zu uns zu kommen und Pausen zu machen. Das gilt natürlich gleichermaßen für Männer und Frauen. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Schwangerschaft und eine Geburt aber immer noch Frauen vorenthalten sind, gilt dieses Plädoyer für Ruhe vor allem den Wöchnerinnen. Die von der Natur dafür vorgesehenen “Übergangs-“ oder auch “Schwellenzeiten“ sind dafür geradezu perfekt – vorausgesetzt wir schaffen es, diese als natürlichen Kreislauf des Lebens anzunehmen und zu akzeptieren.
Wir müssen wieder lernen, um Hilfe zu bitten
Natürlich ist das ein Prozess, der erst seinen Weg in die Gesellschaft finden muss. Zuallererst müssen wir uns als Frauen aber diesen Rückzug und die Form der Selbstfürsorge wieder selbst zugestehen. Uns und unserem Umfeld – der schwangeren Freundin, Schwester oder Cousine. Wir können um Hilfe bitten oder Hilfe anbieten, wir können wieder lernen füreinander da zu sein und die vermeintliche Schwäche, die die Zeit nach der Geburt nun mal ausmacht, als Stärke sehen. Denn am Ende ist erwiesen, dass Frauen, die sich in der Zeit nach der Geburt Zeit geben zu heilen und umsorgt werden; auch für alles, was danach kommt, besser gewappnet sind. Vor allem in Hinsicht auf die bevorstehenden körperlichen Veränderungen, wie der Menopause. Nur wenn Frauen sich diese Auszeit selbst zugestehen, können sie auch für andere Veränderungen bewirken. Bleibt also nur noch die Frage – für Sanna Marin und jede andere Frau da draußen: sind wir stark genug, um auch mal schwach zu sein?
*Im biologischen Sinne. Natürlich gibt es auch Menschen, die sich als Frauen verstehen und diese Etappen zumindest nicht körperlich durchlaufen.